Schützende und heilende Methoden des tibetischen Buddhismus

Die Meditation des Medizin-Buddha und andere Methoden

In den vier edlen Wahrheiten erklärt der Buddha, (1) welche Arten von Leiden es gibt und (2) was ihre Ursachen sind, (3) was die Beendigung von Leiden bedeutet und (4) die Methoden, mit denen Leiden überwunden werden können. Zu den Leiden im menschlichen Bereich gehören insbesondere Geburt, Alter, Krankheit und Tod. Um negative Ursachen zu reinigen, heilsame Kräfte zu stärken und die verschiedenen Arten von Leiden zu überwinden, gibt es zahlreiche Methoden, die in den Sutras und Tantras gelehrt werden. Außerdem gibt es Übungen, um uns vor negativen Einflüssen zu schützen und Hindernisse zu überwinden.

Bei unvorhergesehenen Ereignisse kann man heute schnell Informationen austauschen und auf Methoden hinweisen, die man anwenden soll. Es werden auch Methoden des Vajrayana bekanntgegeben, die wir zu bestimmten Zeiten anwenden sollen. In den Klöstern werden entsprechende Zeremonien durchgeführt, an denen man sich indirekt beteiligen kann. Entsprechende Informationen teilen wir in unserem Newsletter mit.

Um die Methoden zu gegebener Zeit selbst anwenden zu können, ist es aber auch notwendig, sich mit ihnen vertraut zu machen, bevor schwierige Situationen eintreten. Dazu gehört auch, dass man die damit verbundenen Übertragungen (Übertragung des Segens durch entsprechende Einweihungen, Übertragung zur Text-Rezitation und Erklärungen zur Durchführung der Praxis) erhält, um mit dem Segen der verwirklichten Meister verbunden zu sein, und dass man entsprechend praktiziert, sodass die Übungen ihre Wirksamkeit voll entfalten können. Wenn dies nicht möglich ist, ist es trotzdem hilfreich, einige der Methoden anzuwenden und sich mit den Grundlagen der Übungen vertraut zu machen.

Vor einigen Jahren hatte S.E. Ontul Rinpoche eindringlich darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, Methoden zu kennen, die z.B. bei Epidemien, Naturkatastrophen und anderen bedrohlichen Situationen angewendet werden können, um für sich und andere Schaden abzuwenden. Daher hat er die Übertragungen zu einem speziellen Schatztext (tib. Terma) von Padmasambhava (Guru Rinpoche) gegeben. Der exzellente Pfad des spirituellen und temporären Wohlseins enthält besondere Methoden (1) um Krankheiten und Epidemien, (2) die Furcht vor Hungersnöten und (3) Zeiten von Krieg zu befrieden. Wer diese Methoden kennt, sollte sie immer wieder anwenden. Sie sind insbesondere auch als Praxis für andere geeignet, wenn Ereignisse eintreten, die über unseren persönlichen Einflussbereich hinausgehen. Daher führen wir diese Praxis von Zeit zu Zeit in unserem Zentrum durch.

Die Meditation und Mantra-Rezitation des Medizin-Buddha

Medizin-BuddhasInsbesondere in Bezug auf Krankheiten und damit verbundene Schwierigkeiten ist die Meditation des Medizin-Buddha eine grundlegende Methode für weitere Übungen. Im Zusammenhang mit dem Medizin-Buddha gibt es verschiedene Übungen, die in den Sutras und Tantras gelehrt werden.

In den buddhistischen Schriften heißt es, dass sich der Buddha in der Form des Medizin-Buddhas manifestiert hat und so die tiefgründigen und umfangreichen Unterweisungen der vier Medizin-Tantras gab, die die Grundlage der tibetischen Heilkunde sind. Die Meditation des Medizin-Buddha ist bei körperlichen und geistigen Krankheiten hilfreich und schafft Ursachen für das letztendliche Ziel der Erleuchtung.

Der Buddha der Medizin (tib. Sang-gye Menla) hat viele große Wunschgebete gesprochen, in denen es heißt, dass durch das Hören seines Namens oder die Rezitation seines Mantras alle Wesen von Krankheiten und deren Ursachen befreit werden mögen. Dies bezieht sich aber nicht nur auf die Krankheiten und Leiden in diesem Leben, sondern auch auf alle geistigen Verdunkelungen und karmischen Verschleierungen sowie auf die Wurzelursache für alles Leiden, nämlich die drei Geistesgifte: Begierde, Hass und Unwissenheit.

Außer dem Medizin-Buddha gibt es noch weitere Sugatas der Medizin, die verschiedene Wunschgebete für das Wohl aller Wesen gesprochen haben. Im Mandala des Medizin-Buddha befinden sich die Verkörperungen der drei kostbaren Juwelen der Zuflucht:

  • die Medizin-Buddhas verkörpern das Juwel des Buddha,
  • die Sutren das Juwel des Dharma und
  • die Bodhisattvas das Juwel des Sangha.

Der Palast des Medizin-Buddha besteht aus kostbaren Materialien, die als wirksame Arzneien alle Krankheiten heilen, die aus dem Ungleichgewicht der drei Körpersäfte – Wind (tib. Lung), Galle (tib. Tripa) und Schleim (tib. Beken) – entstehen. Darüber hinaus haben sie die Kraft, alle Hindernisse für die Gesundheit zu beseitigen und alle Wünsche zu erfüllen.

 

Wo auch immer dieses Sutra verbreitet wird oder wo es fühlende Wesen gibt, die am Namen des Medizin-Buddha festhalten und ihm, sei es in Dörfern, Städten, Königreichen oder der Wildnis, ehrfürchtig Gaben darbringen, wird er sie beschützen.

Er wird sie von allem Leiden und Unheil befreien und darauf achten, dass all ihre Wünsche erfüllt werden.

Fühlende Wesen, die von Krankheit oder Unheil betroffen sind und den Wunsch hegen, diesem zu entkommen, sollten ebenso dieses Sutra lesen und rezitieren.

Sie sollten unsere Namen[1] mit mehrfarbigen Tauen knoten und sie entknoten, wenn ihre Wünsche erfüllt sind.

 

Wenn man mit Hingabe und Vertrauen die Namen der Medizin-Buddhas, die Lobpreisungen und die Mantras rezitiert, wird der Nutzen entsprechend der Wunschgebete (der Medizin-Buddhas) verwirklicht werden.

In der Sutra-Praxis werden die Wichtigkeit der Reinigung sowie das Ansammeln von Verdienst und Weisheit am Anfang der Praxis betont. Dies wird z.B. durch das Gebet der sieben Zweige ausgeführt.

In der Tantra-Tradition (auch: Mantrayana) wird dies durch die Meditation über die Gottheit (skr. Deva, tib. Yidam), die Rezitation des Mantra, das Entwickeln von Samadhi (skr., Geistessammlung, Konzentration[2]) und die Aktivität des ausstrahlenden Lichts ergänzt, wodurch die Wesen gereinigt und den Buddhas Gaben dargebracht werden.

Weitere Methoden

Zu den zahlreichen Methoden zur Überwindung von Leiden gehören auch Reinigungsübungen, die Entwicklung von Liebe und Mitgefühl, die Praxis besonderer Buddha-Aspekte sowie Übungen mit Bodhisattvas, Dharma-Schützern und anderen Gottheiten usw.

Letztendlich hilft jede Praxis, den Geist zu reinigen und positive Potenziale zu entwickeln. Wenn wir mit einfachen Übungen beginnen und sie immer wieder ausführen, können wir nach und nach unsere Praxis vertiefen und mit verschiedenen Methoden und Erklärungen neue Aspekte kennenlernen. Dabei entwickeln wir Achtsamkeit, geistige Ruhe und Klarheit. Hingabe und Vertrauen wachsen in dem Maße, in dem wir positive Erfahrungen machen. Indem wir uns auf etwas stützen, mit dem wir vertraut sind, können wir uns höheren Übungen zuwenden. So kann aus anfänglichem Vertrauen eine überzeugte Sichtweise werden, bis wir die Natur des Geistes erkennen und sich zahlreiche Tugenden, geistige Fähigkeiten und Qualitäten entfalten können.

[Abbildung: Ushnishavijaya (skr., tib. Namgyalma), eine Verkörperung erleuchteter Lebenskraft; neben Buddha Amitayus (tib. Tsepame, dem Buddha des langen Lebens) und der weißen Tara (tib. Dölkar) eine der drei Langlebensgottheiten im tibetischen Buddhismus, die die Lebensenergie stärken und vor einem vorzeitigen Tod schützen. Diese Praxis enthält – wie auch andere – einen starken Segen und Schutz und wird bei Krankheiten und Hindernissen empfohlen. Hier ist sie ein Beispiel für die Vielseitigkeit der Methoden.]

In den Seminaren des Zentrums werden stufenweise verschiedene Übungen aus den buddhistischen Lehren vorgestellt und ihre Praxis und Anwendung im Alltag besprochen. Zur Durchführung stehen Praxistexte, Kommentare und Unterweisungen sowie ergänzende Erklärungen zur Verfügung. Der Austausch in der Gruppe und persönliche Ratschläge bringen die Praxis in das tägliche Leben.

Zusammengestellt von T.T. Karuna,
mit Auszügen aus der Sutra-Praxis der acht Medizin-Buddhas
und dem Sutra der Gelübde, Verdienste und Qualitäten des Medizin-Buddha

[1] D.h. die Namen der Medizin-Buddhas
[2] Samadhi und Shamatha: um den nicht-dualistischen Bewusstseinszustand (skr. Samadhi) zu erreichen, wird der Geist durch ruhiges Verweilen (skr. Shamatha, tib. Shine) zur Ruhe gebracht und durch die Entwicklung der besonderen Einsicht (skr. Vipashyana, tib. Lhagthong) zur Erkenntnis der Wirklichkeit geführt.