Alle Wesen möchten Glück erlangen und kein Leid erfahren.
Aber da sie nicht wissen, welches die Ursachen für Glück sind
und wie sie Leiden vermeiden können,
handeln sie ihren Wünschen entgegengesetzt.
Karma ist eines der wichtigsten Themen der buddhistischen Lehren und die Grundlage vieler buddhistischer Übungen. Es erklärt den Zusammenhang von Ursache und Wirkung unserer Handlungen. Daher ist es auch für Nicht-Buddhisten hilfreich, sich mit diesen Vorstellungen vertraut zu machen. Es ist aber wichtig, diese Zusammenhänge richtig zu verstehen und nicht in Sichtweisen zu fallen, bei denen man Karma als Schicksal interpretiert oder sich ein schlechtes Gewissen macht. Im Gegenteil: richtig verstanden und angewendet zeigt es uns Möglichkeiten zu Veränderungen auf und wir können uns von negativen Gefühlen und Umständen befreien.
Zusammengefasst heißt es in einem Vers zu den vorbereitenden Übungen:
Die Frucht von positiven Handlungen ist Glück,
Leiden ist die Frucht von negativen Handlungen.
Das unausweichliche Gesetz von Ursache und Wirkung
ist die Eigenschaft aller Phänomene.
Praktiziere den Dharma von jetzt an, indem du unterscheidest
zwischen dem, was ausgeübt werden soll
und dem, was aufgegeben werden soll.
Buddha sagt:
Das Gesetz von Ursache und Wirkung behält immer seine Gültigkeit.
Selbst, wenn alle Dinge dieser Welt zusammenbrechen –
dieses Gesetz hört niemals auf.
Weiterhin sagt er:
Es kann passieren, dass vom Feuer kalte Strahlen ausgehen.
Sonne und Mond können vom Himmel fallen und die Sterne können vergehen,
aber das Gesetz von Ursache und Wirkung wird bestehen bleiben.
Unser Karma wird immer weiter bestehen,
und wir werden es zu durchleben haben.
In einem Sutra sagt der Buddha zu einem König:
Zu dem Zeitpunkt, an dem du sterben wirst, wird dich nichts begleiten.
Deine Freunde werden dich nicht begleiten,
nichts aus deinem Besitz wird dich begleiten.
Was dich begleitet, ist dein angesammeltes Karma, sei es gut oder schlecht.
Es wird immer bei dir sein, wie ein Schatten, der dich niemals verlässt.
Und Shantideva sagt in der Bodhicharyavatara:
Die Wesen, deren Geist heilsam und positiv ausgerichtet ist,
werden Segen und Freude erleben, wo immer sie hingehen,
und sie werden nie von dieser Freude getrennt sein.
Dagegen werden diejenigen, die unheilsame Handlungen ausgeführt haben,
immer Unzufriedenheit und Unglück erleben,
ganz gleich, in welchen Bereichen sie geboren werden.
In den Sutras sagt der Buddha:
Feuer mag kalt werden,
Wind mag mit einem Lasso eingefangen werden,
Sonne und Mond mögen zur Erde fallen,
aber das Resultat von Karma ist unausweichlich.
In dem Kommentar „Der kostbare Schmuck der Befreiung“ von Jetsün Gampopa finden wir im 6. Kapitel über die Meditation der Folgen von Handlungen die folgenden Zitate:
Im Hundert Handlungsweisen Sutra:
Handlungen, die sehr vielfältig sind,
bringen die Vielfalt der Wesen hervor.
Im Sutra Weißer Lotus des großen Mitgefühls:
Die Welt ist aus Handlungen (Karma) gemacht,
sie manifestiert sich aufgrund von Handlungen.
Die Lebewesen sind aus Handlungen gemacht,
die Ursache ihres Entstehens sind Handlungen,
und aufgrund von Handlungen unterscheiden sie sich.
Auch in der Abhidharma-Schatzkammer steht:
Die verschiedenen Welten sind aus Karma entstanden.
Was ist mit Karma (Handlungen) gemeint?
Gemeint sind gedankliches Handeln und absichtliches Handeln.
Hierzu ebenso aus dem Abhidharma-Kompendium:
Was sind Handlungen (Karma)?
Gedankliches Handeln und absichtliches Handeln.
Und in der Abhidharma-Schatzkammer:
Handlungen bestehen aus Gedanken und ihrer Ausführung.
In den Wurzelversen der Weisheit von der Mitte:
Der Höchste Weise erklärte: Karma ist Gedanke und Absicht.
Was ist mit Gedanke und Absicht gemeint?
Gedankliches Handeln ist geistige Aktivität.
Was durch das Denken hervorgebracht wird, ist absichtliches Handeln,
worunter körperliche und sprachliche Handlungen zu verstehen sind.
Abhidharma-Schatzkammer:
Denken ist geistige Handlung.
Daraus entspringen körperliche und sprachliche Handlungen.”
Die Erläuterung zu Handlungen und ihren Folgen werden als Merkvers zusammengefasst und in den weiteren Kapiteln (von Gampopa) erklärt:
(1) Einteilung und (2) Merkmale,
(3) Zugehörigkeit und (4) genau entsprechendes Ergebnis,
(5) kleine Handlungen mit großen Folgen und (6) Unabwendbarkeit –
diese sechs fassen „Handlungen und Folgen“ zusammen.
Der Kommentar „Der kostbare Schmuck der Befreiung“ von Gampopa1 enthält Erklärungen über Karma und ist eine allgemeine Lektüre in allen Traditionen des tibetischen Buddhismus. Neben kurzen Zusammenfassungen zu diesem Thema gibt es zahlreiche Texte und umfangreiche Kommentare, die ausführlichere Studien umfassen, sodass man ein immer tieferes Verständnis entwickeln kann.
Das Verständnis von Handlungen und ihren Resultaten beinhaltet ethisches und heilsames Verhalten und dies wiederum führt zu Glück und Wohlergehen. Dazu gehört auch das Aufnehmen von Gelübden, um negatives Handeln zu vermeiden, sowie die Reinigung negativer Handlungen, die bereits ausgeführt wurden. Werden immer mehr positive Handlungen kultiviert, können die verschiedenen Stufen der Entwicklung, wie sie in den buddhistischen Schriften dargelegt werden, verwirklicht werden. Wenn alle Verunreinigungen vollkommen gereinigt sind, kann sich die vollkommen reine Natur des Geistes entfalten, man wird frei von den Leiden des Daseinskreislaufes und kann grenzenlose Qualitäten zum Wohle aller Wesen entfalten.
Die verschiedenen Aspekte in Verbindung mit dem Thema Karma sind Inhalte eines Wochenendseminars, in dem diese Punkte von einem buddhistischen Lehrer lebendig und praktisch dargelegt werden (vgl. S. 39). Außerdem steht das Verständnis von Karma sowie der Leiden in den Daseinsbereichen (Skrt. Samsara) in enger Verbindung mit der Reinigungspraxis des Vajrasattva, die in diesem Jahr in unserem Praxisprogramm zu den vorbereitenden (grundlegenden) Übungen durchgeführt wird.
Zusammenstellung von Tändsin T. Karuna, 2011
1 Neue Übersetzung: Norbu-Verlag,
Einführung und ergänzende Texte: Das wunscherfüllende Juwel der edlen Lehre, von Khenchen Könchog Gyatsen Rinpoche, DKV Aachen